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Bangladesch: Professorin nach Druck von Islamisten versetzt
Nigeria: Überlebenden von Boko Haram wird nicht genug geholfen
Klimakonferenz Bonn: Viele Aktivist:innen aus dem Globalen Süden ohne Visum
Liebe Leser:innen,
unser The Feminist FairPlanet Newsletter kuratiert die Top Themen für euch, in denen es um eine feministischere Welt geht. Wir wollen euch Geschichten näher bringen und einzuordnen, die in den deutschen Medien nicht genug behandelt werden und gleichzeitig einen lösungsorientierten Ansatz haben. Dazu gehören Geschichten aus dem globalen Süden und Geschichten von Nischenthemen, die anderswo untergehen, aber auch Stories, die in aller Munde sind und für die wir euch den vertiefenden Blick bieten. Fragen, Kommentare, Ideen? Ihr könnt uns jederzeit erreichen, indem ihr auf diese Mail antwortet. Ihr könnt euch für unseren Newsletter jederzeit hier anmelden.
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1. Bangladesch: Professorin nach Druck von Islamisten versetzt
Warum ist das wichtig?
In Bangladesch gibt es Gesetze gegen häusliche Gewalt, Kinderehen und Mitgiftforderungen – ihre Umsetzung ist jedoch oft lückenhaft.
Das Land hat eine der höchsten Raten von Kinderehen weltweit, trotz gesetzlichem Mindestalter von 18 Jahren für Frauen.
Frauen sind im Parlament vertreten – unter anderem durch reservierte Sitze – und haben hohe Ämter bekleidet (z. B. Premierministerin).
Der Zugang zu Bildung für Mädchen hat sich verbessert, aber viele Frauen arbeiten informell und ohne soziale Absicherung.
Sexualisierte Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Benachteiligung sind weit verbreitet, besonders im ländlichen Raum.
Frauen, die sich öffentlich zu Gleichberechtigung und Frauenrechten äußern, sehen sich in Bangladesch zunehmend Drohungen, Diffamierung und beruflichen Konsequenzen ausgesetzt.
Die landesweiten Proteste im Jahr 2023, ausgelöst durch Unzufriedenheit mit wirtschaftlicher Not, Korruption und autoritärem Regierungsstil, führten zu einem politischen Machtvakuum, das islamistische Gruppen nutzten, um ihren gesellschaftlichen Einfluss auszubauen - sie nutzen ihre gestiegene Sichtbarkeit seitdem, um Frauen einzuschüchtern und aus dem öffentlichen Raum zurück in die häusliche Sphäre zu drängen.
Eine Frau protestiert bei der Quotenreformbewegung 2024 in Bangladesch (Bild: By Frameofashik Commons Wikimedia)
Ausgerechnet in eine Islamistenhochburg versetzt
Eine Hochschulprofessorin in Bangladesch wirft den Behörden vor, islamistischem Druck nachgegeben und sie wegen ihres Einsatzes für die Erbschaftsrechte von Frauen versetzt zu haben.
Nadira Yeasmin, Assistenzprofessorin für Bangla am Narsingdi Government College, wurde nach einem 48-stündigen Ultimatum der islamistischen Gruppierung Hefazat-e-Islam an eine Hochschule nahe der indischen Grenze strafversetzt – rund 270 km entfernt und ausgerechnet in eine Hochburg der Islamisten. Auslöser war ein Artikel Yeasmins, in dem sie sich für gleiche Erbschaftsrechte von Männern und Frauen aussprach – eine in Bangladesch seit Langem erhobene Forderung. Die Gruppe warf ihr vor, damit gegen das islamische Erbrecht zu verstoßen.
Ihre Versetzung hat eine Debatte über den schrumpfenden Raum für die Meinungsfreiheit von Frauen in Bangladesch ausgelöst – insbesondere seit der Sturz des autoritären Hasina-Regimes radikale religiöse Gruppen ermutigt hat.
2.Nigeria: Überlebenden von Boko Haram wird nicht genug geholfen
Warum ist das wichtig?
Boko Haram ist eine islamistische Terrorgruppe in Nigeria, die seit Anfang der 2000er Jahre für zahlreiche Anschläge, Entführungen und Gewaltakte verantwortlich ist und versucht, im Norden Nigerias einen Gottesstaat nach strenger Scharia einzurichten
Der langanhaltende Konflikt zwischen Boko Haram und nigerianischen Streitkräften im Nordosten Nigerias hat Millionen Tote und Binnenvertreibungen verursacht; besonders betroffen sind Frauen, Kinder und ältere Menschen, da alle Konfliktparteien schwere Menschenrechtsverletzungen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.
Boko Haram hat jüngst Angriffe und Entführungen eskaliert, wodurch Rückkehrer aus ehemals kontrollierten Dörfern erneut vertrieben wurden.
Die Terrorgruppe entführt seit Jahren gezielt Mädchen und junge Frauen, um sie als Zwangsbraut, Kämpferin oder Sexsklavinnen zu missbrauchen.
Viele gefangene Frauen erleben sexuelle Gewalt, Zwangsheirat und erleiden Traumata, die ihre Reintegration erschweren.
Nach der Flucht aus der Gefangenschaft sind sie oft Stigmatisierung und Diskriminierung in ihren Gemeinschaften ausgesetzt.
Staatliche Unterstützungs- und Reintegrationsprogramme für Überlebende sind meist unzureichend oder fehlen ganz.
Internationale Organisationen fordern seit Jahren mehr Schutz, medizinische und psychologische Hilfe sowie Bildungsangebote für die betroffenen Frauen.
Ohne Hilfsangebot entlassen
Mädchen und junge Frauen, die aus der Gefangenschaft von Boko Haram im Nordosten Nigerias geflohen sind, erhalten nach einem Bericht von Amnesty International kaum staatliche Unterstützung: Im Februar 2025 befragte Amnesty International kürzlich geflohene Überlebende. Keiner der Frauen wurden individuelle Wiedereingliederung angeboten oder auf Beratungs-, Berufsbildungs- oder andere Unterstützungsangebote hingewiesen. In vielen Fällen wurden die Frauen, die oft noch minderjährig sind, nach ihrer Befreiung von Boko Haram nicht wie im 2022 zwischen Nigeria und den Vereinten Nationen vereinbarten Übergabeprotokoll vorgesehen, an zivile Behörden übergeben, sondern verblieben ohne angemessene Versorgung.
Drei Überlebende aus Banki im Bundesstaat Borno – zwei 17-Jährige und die 13-jährige AN* – flohen im Dezember 2024 gemeinsam. Seit ihrer Flucht hatten sie keinen Kontakt zu Sicherheitskräften oder Behörden.
LC*, 17, wurde als Kind zwangsverheiratet, verlor zwei Kinder und erhielt keine Unterstützung von der Regierung. AN* wurde zwangsverheiratet, floh mehrmals und berichtete von Misshandlungen durch Boko Haram. Sie forderte erfolglos Hilfe bei Unterkunft und Nahrung.
GP*, 13, wurde gewaltsam mit einem Boko Haram-Terroristen verheiratet, nachdem die Gruppe ihren Vater getötet hatte. Sie floh vor ihrem Ehemann, wurde zunächst inhaftiert, lebt nun bei ihrer Mutter und erhält keine Unterstützung.
NB*, 12, entkam der Zwangsheirat, wurde befragt, aber ohne Hilfsangebote entlassen.
SC*, 16, wurde von Soldaten nach ihrer Flucht geholfen, zu ihrer Familie zurückzufinden, lebt jetzt in einem Lager für Binnenvertriebene.
Bild: Amnesty International
3. Klimakonferenz Bonn: Viele Aktivist:innen aus dem Globalen Süden ohne Visum
Bei der COP-Vorbereitungskonferenz im Juni in Bonn sollen auch Stimmen aus dem Globalen Süden Gehör finden. Viele Aktivist:innen aus dem Globalen Süden erhalten jedoch trotz UNFCCC-Akkreditierung und Empfehlungsschreiben oft kein Visum für die Klimakonferenz in Deutschland. Termine sind monatelang ausgebucht, Anträge werden abgelehnt.
Unterstützung erhalten Betroffene von anderen Betroffenen, darunter die Aktivistin Hamira Kobusingye aus Uganda. Das Drama um die Visavergabe habe sie unfreiwillig auch noch zur Kämpferin für Visa-Gerechtigkeit gemacht, sagt Kobusingye der Frankfurter Rundschau. Bis Juni gingen rund 28 Beschwerden aus Ländern wie Ägypten, Ghana und Uganda auf dem Portal bonnclimatecamp.org ein.
Die Aktivist:innen fordern vereinfachte Visa-Verfahren für UN-Konferenzen in Deutschland, nach dem Vorbild der Gastgeber von COP-Konferenzen weltweit.